Freitag, 17. Dezember 2010

Weihnachtsfeier und Torte:
Wie geht das bei einer Ernährung über eine Magensonde?

Geschrieben aus der Sicht von: Gustav

Heute hatten wir hier, in unserem "Heim der abgegebenen Alten" unsere Weihnachtsfeier.
Am Heiligen Abend, da kann ja wieder keiner kommen, also feiern wir schon heute.
Wir wurden auf unseren Rollstühlen in den Aufenthaltsraum gefahren und warteten der Dinge, die da kommen sollten.

Mein Freund Walter war da.
Und den kann ich austricksen.
So hab ich zugeschlagen, ich pfeife auf meine Magensonde.
Ich will mal wieder schmecken, wie es ist, etwas richtiges zu essen!

Meine Ausbeute waren:

1 Stück Schwarzwälder-Kirschtorte
1 Stück Schoko-Sahnetorte
4 Kekse
1 Mandarine
und eine ganze Tasse Kaffe!

Ich hab gesehen, wie mein Freund Walter litt.
Aber das war mir egal.
Walter denkt an die Vorschriften.
Ich denke daran, daß die mich hier über eine Magensonde füttern und damit Zeit sparen.
Dabei kann ich doch selbst schlucken!
Da ist nix mit Dysphagie wenn mich da nicht mal wieder einer im Liegen füttert!
Warum sieht das denn keiner?!
Daß ich ein wenig kleckerte war mir peinlich, aber was solls -

Mir geht's prächtig!
Aber Walter wird eine unruhige Nacht haben und morgen meinen Bruder fragen, ob mir diese 'Freßorgie' bekommen ist. :-)
Hoffentlich setzt er danach auch mein Doktorchen und die Pflegerinnen hier auf den Pott, damit ich auch etwas von dem Weihnachtsbraten ab bekomme!

Nachtrag vom 18.12.2010
Das Festmahl von Gestern ist mir gut bekommen.
Mir ist nicht schlecht geworden.
Und Magendrücken hatte ich auch keines!

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Ich hatte einen Schlaganfall . . . vor 7 Monaten

(Mein 'Nicht-Impressum')


Geschrieben aus der Sicht von: Gustav

Für dieses Tagebuch bin ich verantwortlich.
Eure Kommentare sind willkommen, auch, wenn ihr etwas zu beanstanden habt.
Nein, eine Telefonnummer oder eine eMail-Adresse kann ich euch leider nicht geben. Schreibt einfach einen Kommentar unter diesem Eintrag und ich werde eventuelle Ungereimtheiten unverzüglich klären.
Zum Schutze der hier im Blog genannten Personen habe ich deren Namen und auch den Ort der Handlung entsprechend verschleiert.
Die Gründe dafür sind ganz einfach:
Fast alle Pflegekräfte tun ihr Bestes; ich bin bemüht, ihnen mit meinen Berichten nicht weh zu tun.

Es ist das System, das marode ist und den Pflegekräften keine Zeit gibt, um die Dienste zu erbringen, die uns Alten ein menschenwürdiges Altwerden ermöglichen.

Am 7. Oktober 2010 begann ich dieses Tagebuch.
Es war der 13. Mai 2010, als mich der Schlaganfall außer Gefecht setzte.
Es war eine schwere Hirnblutung im linken-hinteren Bereich meines Kopfes.
Meine rechte Körperhälfte ist gelähmt, ich habe Schluckstörungen und erhebliche logische Sprachstörungen.
Oh, ich kann schon recht gut sprechen, aber ich weiß nicht, wie ich zum Beispiel das Wort "Gardine" in meinem Gedächtnis finden kann.

Noch kann ich mich auch nicht allein aus dem Bett in den Rollstuhl begeben; dazu brauche ich immer die Hilfe eines recht kräftigen Pflegers, der mich aus dem Bett in den Rollstuhl hebt und später wieder zurück ins Bett bringt.
Und genau dieses Problem der mangelnden Bewegungsfähigkeit ist zur Zeit eines der größten Probleme für mich.
Denn im Bett halb liegend verschlucke ich mich immer wieder, wenn ich einmal etwas essen oder trinken möchte. Deshalb hab ich ja auch immer noch die Magensonde und bekomme zusätzlich meine "Astronauten-Nahrung" aus der Flasche.
Auch beim Sprechen rutscht mir die Zunge durch die halb liegende Position etwas nach hinten in den Rachen und ich spreche dadurch erheblich undeutlicher, als wenn ich im Rollstuhl sitze.

Nach und nach füge ich aus meinen Erinnerungen und aus meinen handschriftlichen Aufzeichnungen das, was ich für lesenswert halte, in diesen Blog ein. Die bisherigen Geschehnisse füge ich unter dem Datum ein, an dem sie geschehen sind. Dadurch erscheinen immer wieder neue Posts in zurückliegenden Bereichen.

So, ich habe es geschafft, ich bin mit meinen Texten im Heute angekommen.
Heute, das ist Sonntag, der 17. Oktober 2010
Aber so ganz fertig bin ich mit meinen bisherigen Texten noch nicht . . .
Mir fällt immer noch das eine oder andere Detail aus der Vergangenheit ein.

Nein, ich schreibe diesen Text nicht selbst.
Ich diktiere ihn nicht einmal.
Es ist ein guter Freund, der für mich schreibt.
Warum?
Einfach weil er mein Freund ist und sich des Dilemmas angenommen hat, in dem nicht nur ich mich befinde. Denn nach gut 7 Monaten kann ich noch immer nicht richtig sprechen und schon gar nicht so ein Ding wie meinen Laptop bedienen.
Meine Familie, meine Freunde und Bekannten, alle die mich kennen sind auch in irgendeiner Form von meiner Krankheit betroffen.
Und sie warten alle auf mein tägliches Bulletin . . .

Mein Freund schreibt zeitweilig auch in der "Ich-Form" von mir und für mich.
Ihr könnt es am "Label" und an dem Text " erkennen, aus welcher Sicht da geschrieben wurde.
Den Grund dafür darzulegen ist ein wenig kompliziert.
Vielleicht glaubt mein Freund, daß er sich so besser in mich hineinversetzen kann und mich somit besser versteht?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß Vieles nicht.
Und es sind viele Dinge um mich herum, die ich auch jetzt, nach mehr als 7 Monaten, immer noch nicht verstehe.

Nein, meinen bürgerlichen Namen nenne ich nicht.
Nenne mich einfach Gustav.
Auch der Name meines Freundes, der für mich unter meinem Namen schreibt, der ist unwichtig.
Wer es mag der kann ihn gerne Walter nennen.
Es gibt viele Gründe, die mich und meinen Freund in der Anonymität verweilen lassen.
Ein Grund ist der, daß ich mich sonst vielleicht der Blumen nicht erwehren könnte, die ihr mir vorbei bringen würdet.
Auch Pralinen hätte ich noch nicht so gerne in meiner Nähe . . .
. . . ich werde ja immer noch durch eine Magensonde ernährt.

Oh, bevor ich es vergesse:
Auch auf den realen Ort der Handlungen und auf die korrekten Namen der beteiligten Istitutionen und deren Mitarbeiter könnt ihr euch in meinen Texten nicht verlassen.
- Siehe auch im ersten Absatz dieses Beitrags.
Der Grund?
Nun, meine Aussagen sind Momentaufnahmen, die nur mich betreffen.
Und ich möchte keinem schaden.
So ist es zum Beispiel keinesfalls repräsentativ für ein Pflegeheim, wenn ich hier aus deren Bett gefallen bin.
Es betraf nur mich, und meine Anmerkungen dazu stellen keinesfalls ein Werturteil über dieses Pflegeheim dar.
Aber der Fakt, daß ich bei der ersten Aufnahme in diesem Pflegeheim aus dem Bett gefallen bin und dann mit dem Krankenwagen zur Notaufnahme in das nächste Krankenhaus gefahren wurde, der ist einfach nicht zu leugnen.
Es ist auch gut nachvollziehbar, daß dieser Unfall vermeidbar war und nie hätte passieren dürfen.
Aber die Folgen meines Schlaganfalles hat dieser nachträgliche Unfall weder verschlimmert noch verbessert - so scheint es jedenfalls.
Doch darüber später mehr . . .

So, ich bin jetzt müde . . . bis Morgen!

Montag, 29. November 2010

Aphasie kann durchaus auch einmal spassig sein.

Geschrieben von: Walter

Es ist schon eine Weile her, daß ich Gustav besucht habe.
In seinem Zimmer lag eine mir völlig fremde Person.
Von einer der Schwestern erfuhr ich dann, daß Gustav in eine andere Abteilung verlegt wurde.
Komisch, Manuel hatte mir nichts davon erzählt . . .

Als ich Gustav fand, bot sich mir ein erbärmlicher Anblick.
Er lag splitterfasernackt in seinem Bett und hatte sich vollgemacht.
Seine Windel lag in Stücke gepult auf dem Fußboden neben dem Bett und sein Bettzeug lag ebenfalls auf dem Fußboden am Bettende.
Mir fiel der Papagei meines Onkels ein.
Der hatte sich vor langer Zeit einmal fast sämtliche Federn ausgerupft und saß da nackt auf seiner Stange im großen Käfig.
Später erfuhr ich dann, daß vereinsamte Papageien oft dieses Verhalten zeigen.

Nachdem Gustav von zwei Pflegerinnen versorgt war und wieder adrett im Bett lag, fragte ich ihn, warum er sich denn die Windel vom Leib pule, aber seine Antworten waren nicht zu verstehen.
Später, als er sich wieder beruhigt hatte, fragte ich ihn: "Du Gustav, ist denn hier auch eine hübsche Krankenschwester?" Seine Antwort kam prompt und recht gut verständlich: "Die kannst Du nicht kriegen." Und nach einer kleinen Pause setzte er noch einen drauf: "Die hab ich schon alle."

Ja, die Wernicke-Aphasie an der Gustav seit seinem Schlaganfall leidet, die hat nicht nur negative Auswirkungen, die kann durchaus auch einmal spaßig sein . . .

Sonntag, 21. November 2010

MRSA: Da kommt kein Logopäde und kein Ergotherapeut

Geschrieben von: Walter

So, man hat mich wieder über die Grenze vom Wendland in den Westen gelassen.
Gustav habe ich noch nicht besuchen können, aber dafür habe ich dann gleich seinen Bruder Manuel angerufen.

Seine Worte mag ich hier nicht wieder geben, er war ganz schön am Fluchen!
Sein Bruder ist in dem Pflegeheim in eine andere Abteilung verlegt worden und dort scheint es nicht besser zu sein, als in der bisherigen Abteilung.

Zweimal habe er ihn hilflos im Rollstuhl angetroffen.
Beide Male hatte Gustav keine Möglichkeit, den Notrufknopf zu erreichen.
Es sah so aus, als wenn man Gustav zum abstellen in sein Zimmer geschoben und ihn dann vergessen hätte.

Auch die so wichtige Nasensalbe gegen die MRSA-Keime hätte man für 4 Tage "vergessen", die zweite Packung lag immer noch in der Orinalverpackung versiegelt auf dem Nachttisch, als er das letzte Mal da war.

Aber solange die Keime da wären komme kein Logopäde und kein Ergotherapeut zur Mobilsation eines solchen Patienten!

Ich hatte Mühe, den sonst so friedlichen Manuel zu beruhigen.
Und ich kann ihn voll verstehen.
Aber so sieht es halt in vielen Pflegeheimen aus, die ja fast alle unter chronischem Personalmangel leiden.

Dienstag, 9. November 2010

Eine kleine Pause . . .

Geschrieben von: Walter

Es gibt nichts Neues zu berichten.
Nicht, weil sich bei Gustav nichts getan hat, sondern weil ich noch hier in Dannenberg festhänge.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Morgen werde ich wohl mit Manuel telefonieren und erfahren, ob sich da bei Gustav etwas getan hat.

Montag, 1. November 2010

Es geht vorwärts aber . . .

Geschrieben von: Walter

Gestern bin ich gleich zweimal bei Gustav gewesen.

Warum?
Weil es wieder einen Riesenschritt vorwärts ging
und weil ich neugierig war, wie Gustav diesen Tag überstanden hatte.

Aufgrund der Zeitumstellung war ich schon früher auf und fuhr gleich nach dem Frühstück zum Pflegeheim.
Gustav lag mit Trainingshose und Oberhemd bekleidet auf seinem Bett und begrüßte mich recht munter.

Und dann kam das Besondere:
Eine resolute Pflegerin hob den Gustav, mit Unterstützung durch eine zweite Kraft, in den Rollstuhl und ich durfte ihn schieben.
Ich solle ruhig mit dem Fahrstuhl runter zum Restaurant fahren und Gustav alles zeigen.

Also machte ich mich auf die Tour durchs Haus.
Im obersten Stockwerk zeigte ich ihm jeden Gang und auch an den jeweiligen Endpunkten die Aussicht nach draußen.
Im Erdgeschoß zeigte ich ihm vom Restaurant aus die davor liegende Sonnen-Terasse und kutschierte ihn auch hier durch sämtliche Gänge und in den Windfang vom Haupteingang.
Nach fast einer dreiviertel Stunde waren wir wieder oben in seinem Bereich.
Gustav war sichtlich beeindruckt aber auch von der Tour geschafft und wollte wieder in sein Bett gebracht werden, weil ihm auch der Bauch etwas schmerzte.
Aber die Pflegerin überredete ihn, doch noch ein wenig im Rollstuhl zu bleiben, damit sie ihn später noch mit einem Joghurt füttern könnte.
Sie kippte das Oberteil des Rollstuhles in eine Art Liegestellung und wollte ihn in den Gemeinschaftsraum schieben, aber Gustav wollte erstmal seine Ruhe haben und beharrte darauf, in seinem Zimmer bleiben zu dürfen.

Das Thema "Joghurt-Fütterung" ließ mir keine Ruhe und so zog es mich am späten Nachmittag noch einmal zu Gustav ins Pflegeheim.
Ich hatte schon befürchtet, daß man ihn den ganzen Nachmittag im Rollstuhl gelassen hätte, aber nein, er lag ganz friedlich in seinem Bett und schaute sich einen Film auf seinem Ferneher an.
Ja, und dann kam wieder die Pflegerin mit einem neuen Becher Joghurt und fragte ihn, ob er etwas davon essen möchte.
Und ob er das wollte!
Einen halben Becher schaffte er und verschluckte sich auch nur selten, obwohl er recht flach im Bett lag.
Nach einer ganzen Weile schaute Gustav zum Joghurtbecher und bat mich, ihm noch etwas davon zu geben.
Ich achtete darauf, daß sein Kopf beim Füttern schön weit nach rechts gedreht war, damit ihm der Joghurt nicht von selbst nach hinten in den Hals lief . . . aber ob das auch die Pflegekräfte beachten? *)
Ich hätte fast heulen können, als ich ihn da so fütterte und er sich auch nur selten ein wenig verschluckte.

So, und nun erzähle mir noch einmal jemand, daß Gustav dauerhafte Schluckstörungen habe, die man nicht mit Hilfe eines guten Logopäden in den Griff bekommen könnte!

Die zwei handfeste Altenpflegerinnen retteten so doch noch ein wenig das Ansehen des restlichen Pflegepersonals, welches eher den "Dienst nach Vorschrift" absolviert.
Aber auch diese anderen Pflegekräfte muß ich ein wenig in Schutz nehmen:
Wenn ich mir anschaue, wie viele ältere Herrschaften hier in den vielen Zimmern "wohnen", dann muß ich mich wundern, daß die Pflegekräfte ihre Arbeit überhaupt schaffen.
- Da bleibt einfach kaum noch Zeit für die persönliche Betreuung eines einzelnen Pflegefalles.
- Also ist die Ernährung durch die Magensonde die "rationellere" Lösung . . .
- Und auch der Katheter in der Blase paßt in dieses Bild.

Mein bisheriger Eindruck wird immer wieder von den realen Vorkommnissen bestätigt:
In einem Pflegeheim ist eine echte Pflege oder REHA (!) zeitlich kaum möglich,
Pflegeheime erscheinen mir eher wie Aufbewahrungsstätten für alte oder behinderte Menschen
Aber hier bei Gustav, da sollte ja nicht nur die Pflege im Vordergrund stehen, sondern die REHA, die Rehabilitation nach einem schweren Schlaganfall!

~ ~ ~

*) Und noch eine "Kleinigkeit", die es in sich hat:
Schluckstörungen und der richtige Umgang damit
.

Mein erster Joghurt aber kein Logopäde . . . . nur Ausreden!

Geschrieben aus der Sicht von: Gustav

Eine der Pflegekräfte hat sich endlich erbarmt und mir etwas "Richtiges" zu essen gegeben. Diese Flüssignahrung durch den Schlauch, das ist ja nix.

Einen ganzen Joghurtbecher hat sie mir Löffelchen für Löffelchen mit viel Geduld in den Mund geschoben.

Warum ich trotzdem sauer bin?
Mein Bruder erzählt mir, daß ihm vor zwei Wochen noch gesagt wurde, ich hätte eine dauerhafte Schluckstörung. Das hätte der Logopäde festgestellt.
Und deshalb könne ich nichts zum Essen bekommen sondern müßte über die Magensonde mit dieser blöden 'Astronautennahrung' ernährt werden.

Hat da irgendeiner aus Bequemlichkeit gelogen?
So eine Fütterei dauert ja auch ganz schön lange.

Kommt deshalb der Logopäde nicht mehr wieder?
Oder hat der Angst vor den MRSA-Keimen?
Oder soll ich auch das Sprechen nicht allzuschnell lernen, weil ja ein stummer Mensch nicht nach den Pflegekräften rufen kann?

Warum hilft mir denn keiner?

Doch, da sind drei, die mir helfen.
Meine beiden Brüder Manuel und Willi und auch mein Freund Walter.
Und jetzt diese Pflegerin, die mich füttert.
Und noch eine, die mich in den Rollstuhl setzt.
Haben die jetzt endlich gemerkt, daß da doch noch Leben in mir ist und daß es sich lohnt, mich wieder fit fürs Leben zu machen?

Sonntag, 31. Oktober 2010

Eine alte Grabsteininschrift

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Und wenn ich einst gestorben bin, dann schreibt auf meinem Stein:


Freundchen, es bitten die Knochen, nicht hier bei dem Hügel zu pinkeln.
Willst du gefälliger noch diesem hier sein - kacke nicht!
Brennessels Grab siehst du hier; drum verschwinde, du Kacker!
Raten möcht ich dir's nicht, hier zu entblößen den Arsch.



Frei nach einer Übersetzung aus dem Lateinischen.
.

Samstag, 30. Oktober 2010

5 Stunden in einem Rutsch - Rollstuhl-Tortur?

Geschrieben von: Walter

Nein, die Erzählungen von Gustav vom Freitag stimmen nicht.
Es war nicht seine erste Rollstuhlfahrt.
Es war seine dritte Tour . . . oder besser Tortur!

Meine Nachfragen bei seinen Betreuern im Pflegeheim ergaben Folgendes:
Am Mittwoch, den 20. Oktober war Gustav zum Erstenmal im Rollstuhl.
Seine Zweite Tour machte er dann am Donnerstag, den 21. Oktober.
Und ganz arglos erzählte man mir, daß Gustav am Freitag sogar runde 5 Stunden im Rollstuhl gesessen habe.

Sein Bruder Manuel erzählte mir dann später, wie er Gustav da im Rollstul 'hängen' sah. Das war im Gemeinschaftszimmer der Etage. Es war so gegen 16 Uhr, Gustav sagte, daß er um 11 Uhr in den Rollstuhl gesetzt wurde.
Der sei ganz fertig gewesen von der langen 'Sitzung' im Rollstuhl und habe ihn gebeten, ihn doch wieder in sein Zimmer zu bringen. Dort habe er fast eine halbe Stunde warten müssen, bis er endlich Pflegekräfte mobilisieren konnte, die seinen Brunder wieder ins Bett brachten.

In dieser Woche scheint er nicht ein einziges mal im Rollstuhl gewesen zu sein.
Dagegen fiel mir auf, daß Gustav recht ruhig - oder besser gesagt apathisch - im Bett lag und kaum zu einem Gespräch zu bewegen war.
Auch seinem Bruder Manuel ist diese seltsame Ruhe von Gustav aufgefallen . . .
Manuel versprach, einmal bei dem behandelnden Arzt nachzufragen, welche Medikamente Gustav denn jetzt überhaupt bekäme und ob da Beruhigungsmittel dabei sind.

Freitag, 22. Oktober 2010

Ein besonderer Tag: Meine erste Fahrt im Rollstuhl

Geschrieben aus der Sicht von: Gustav

"Was soll ein Tag schon bringen, der mit dem Aufstehen beginnt . . ."


Doch, heute ist es ein ganz besonderer Tag gewesen.
Ich hatte meine erste Fahrt in einem Rollstuhl!
Mann-o-mann, war das eine Plackerei.
Bis die mich aus dem Bett raus hatten und in den Rollstuhl verfrachten konnten.
Aber es hat geklappt.
Und ich bin fertig.
Fertig . . . im Sinne von kaputt.

Mein Bruder Manuel kam später vorbei und ich hatte einfach keine Lust ihn zu sehen.
Ich war einfach noch zu kaputt.
Er hat das dann auch gemerkt und verzog sich bald wieder.

Aber da war noch etwas Schönes.
Heute besuchte mich zum Erstenmal meine neue Betreuerin.
Nein, nicht die vom Gericht bestellte, sondern eine, die mich hier bei meinen nächsten Ausflügen mit dem Rollstuhl begleiten soll . . .
Eine, die ich jetzt jeden Tag sehen soll.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Die Mutmachseite für alle, die von einem Schlaganfall betroffen sind.

Geschrieben von: Walter

Ich möchte allen Betroffenen und auch besonders deren Angehörigen
die Blogseiten von STEFFEN MARQUARDT in Plauen
zum Lesen empfehlen.
Mag es am Anfang auch noch so hoffnungslos aussehen,
mag es auch noch so lange dauern,
es gibt fast immer Ein Aufwärts, ein Vorwärts
Mit anderen Worten: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!

Wer seinen Blog aufmerksam gelesen hat, der wird sicherlich auch bemerkt haben, daß es nicht nur der unerschütterliche Wille war, der Steffen in den 6 Jahren so weit gebracht hat, sondern daß auch sein Humor ein wesentlicher Bestandteil der Fortschritte war und ist.
Diesen Humor kann man ganz deutlich in seinem Impressum erkennen.
Schaut eimal hinein!

Montag, 18. Oktober 2010

Schlaganfall - Wie fühle ich mich danach?

Geschrieben aus der Sicht von: Gustav

Wie ich mich nach meinem Schlaganfall fühle?
Nun, zuerst fühlte ich gar nichts.
Dann träumte ich wilde Sachen und auch davon, daß da so ein Unbekannter an meinem Bett stand, mit dem ich nichts anfangen konnte.

Ich war gefangen, eingesperrt.
Ich konnte mich nicht bewegen.
Ich konnte alles hören, aber ich verstand nichts.

Dann begann ich zu verstehen.
Nein, nicht alles, sondern nur bruchstückhaft.
Ich versuche aufzustehen.
Aber es gelingt mir nicht.
Dann falle ich aus dem Bett.
Und nach einer endlos langen Zeit stehen da plötzlich mir völlig unbekannte Leute um mich herum und tragen mich wieder in das Bett hinein.

Wo bin ich?
Wer oder was bin ich?
Und wer sind diese Fremden Leute?

~ ~ ~

Zur Einstimmung in das Thema Schlaganfall lest einmal ein wenig in diesen Blog:
.

Sonntag, 17. Oktober 2010

Kein Schwein und keine Sau interessiert sich für mich!

Geschrieben aus der Sicht von: Gustav

17. Oktober 2010


Wenn ich jetzt laut rufen könnte, dann würde ich schreien:

Kein Schwein kümmert sich um mich,
keine Sau interessiert sich für mich!

REHA?
Hier, im Pflegeheim?
Was ist das?

Seit wann liege ich hier?
Seit dem 16. September 2010!
Und was für ein Datum haben wir heute?
Den 17. Oktober 2010
Das sind 4 volle Wochen gefüllt mit Langeweile, Grübeln und Angst.
Soo lerne ich das Schlucken und Sprechen nie!
Und auch das Rollstuhlfahren nicht!


Warum hilft mir denn keiner?

Einen Logopäden habe ich noch nicht gesehen.
Es ist ja auch viel einfacher, mich mit dem Plastikschlauch über die Magensonde zu ernähren, als mich mühsam mit einem Löffel zu füttern und mir das Schlucken wieder beizubringen!

Mein Bruder versucht mich mit Worten aufzumuntern und auch seine Frau kommt manchmal zu Besuch.
Aber meine eigene Frau hat mich noch nicht ein einziges mal besucht!


Ein Scheiß-Spiel ist das und ich kann noch nicht einmal richtig darüber meckern.
Die verstehen mich ja alle nicht so recht.

Freitag, 15. Oktober 2010

Auch ein Impressum . . .

Geschrieben von: Walter

Selbstverständlich stehe ich mit beiden Füßen auf dem Boden unseres unvergleichlichen Rechtssystems. Und so, wie es dieses verlangt, erkläre ich hiermit ausdrücklich: Für den Inhalt von Seiten, auf die von dieser Domain aus verwiesen wird, sind ausschließlich die jeweiligen Anbieter verantwortlich. Die Tatsache, daß diese Seiten hier verlinkt sind, bedeutet in keiner Weise, daß der Betreiber dieses Angebots mit den verlinkten Seiten in irgendeiner Weise übereinstimmt. Alles, was dort an verbotenen Dingen geschrieben oder dargestellt wird, ist verabscheuungswürdig, niederträchtig und sollte niemals veröffentlicht werden!
Es ist ein Skandal, daß derartige Sachen veröffentlicht werden. Wenn zu solchem Schmuddelkram hier ein Link besteht, dann möge der Finder ihn bitte hier mit einem Kommentar abgeben, damit er entfernt werden kann.

Fort damit, weg!

- Ratet mal, wo ich diesen Text gefunden habe -
Den Blog von Steffen hab ich natürlich
hier auch irgendwo verlinkt.

Montag, 11. Oktober 2010

Es geht vorwärts. "Die Hoffnung stirbt zuletzt!"

Geschrieben von: Walter

Gestern habe ich Gustav wieder besucht.
(Nur sein Bruder Manuel besucht ihn noch öfter als ich.)
Wie üblich begann unsere Unterhaltung zunächst recht zäh.
Nach einer Weile fragte er mich ganz listig:
"Wie alt bin ich?"
Und, bevor ich zu Wort kommen konnte, beantwortete er sich seine Frage selbst:
"Ich bin 61 Jahre!"
. . .
Irgendwann sagte ich ihm, daß es jetzt bald Zeit wäre, ihn mal probeweise in einen Rollstuhl zu verfrachten, aber er meinte nur:
"Jetzt noch nicht."
Nach einer Weile setzte er hinzu:
"Das geht noch nicht."

Sein nächster Satz war:
"So, jetzt werd ich mal was machen . . . . . . aber nee, das geht doch nicht."
Danach stellte er mir eine Rechenaufgabe:
"Wie viel ist 7 mal 7?"
Meine Antwort mit "49" wollte er nicht akzeptieren, er meinte das wären 77.
Deshalb fragte ich ihn:
"Wie viel ist 3 x 3?"
Seine Antwort kam prompt: "Neun!"

Als Nächstes spielten wir 'Namen'.
Meine Frage nach dem Namen seiner Frau beantwortete er etwas schlitzohrig und mit einem leichten Grinsen mit: "Genau so wie ich."
- Ich hatte vergessen nach dem Vornamen zu fragen . . . und wo er Recht hat, da hat er halt Recht.

Danach meckerte er mit mir.
"Du redest ein Scheiß . . . . . . Das ist Scheiße für mich!"
Und nach einer kleinen Pause:
"Aber manchmal bin ich auch froh."
~ ~ ~
Ja, so ein Schlaganfall kann einen ganz schön aus der Bahn werfen!
Aber es geht mit Gustav auch gaaanz laaangsam, Schritt für Schritt vorwärts.
Schon beim Betreten seines Zimmers fiel mir auf, daß da keine Flocken von seiner Pampers auf dem Fußboden herum lagen.
Gustav war in eine Art von Overall eingepackt; so ein Zwischending von 'Strampler' und Pullover mit langer Unterhose.
Die hauptverantwortliche Pflegekraft bat mich, noch 4 solcher Overalls zu besorgen, weil diese ideal für Gustav wären. Dann könne er auch nicht mehr so sehr am Schlauch seiner Magensonde an deren Eintritt in die Bauchdecke herumfummeln.
(Gustav hatte ja schon mehrfach versucht, sich "das Ding" aus dem Körper heraus zu ziehen.)
Erst am nächsten Tag habe ich herausbekommen, daß das eine Spezial-Unterwäsche für inkontinente und besonders unruhige Patienten ist.
Vier lange Reißverschlüsse erleichtern auch das Auswechseln von Windeln und die nachfolgende Pflege der Haut.
Aber der edle Spender dieses Overalls war bisher nicht festzustellen.
Soweit ich gehört habe, sagte sein Betreuer zu, daß er 4 weitere Anzüge dieser Art nachbestellen werde.

Ja, es geht immer einen, wenn auch nur klitzekleinen, Schritt vorwärts!

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Eine erste richtige Unterhaltung mit Gustav

Geschrieben von: Walter

6. Oktober 2010
Heute gab es fast eine richtige Unterhaltung mit Gustav.
Aber es fing mühsam an.
Als ich in sein Zimmer kam, da lag er mal wieder ohne Windel da und zeigte sich, wie der Liebe Gott ihn geschaffen hat. Ich versuchte, ihn noch einmal dazu zu bewegen, den Unsinn sein zu lassen, da diese unappetitliche Pulerei mit der Windel auch für das Pflegepersonal eine unzumutbare Belastung wäre . . . aber Gustav wurde nur grantig.
Die nächsten 25 Minuten verliefen etwas zäh.
Er nahm mir wohl meine Einmischung in Sachen Windel übel.
Sein Gebrabbel war kaum verständlich.
Aber dann, so nach 20 Minuten, da kam er richtig in Fahrt und strengte sich soo an, daß sein Gesicht rot wurde. Er klagte - recht vernehmlich und auch mit einer etwas besseren Aussprache – daß er nicht abschalten kann.
Ist das möglicherweise der Hauptgrund für seine zeitweilige Unruhe und Unduldsamkeit?
Dann kam ein Satz, den ich zwar klar verstanden habe, aber nicht sinnvoll einordnen konnte: „Ma schaun, ich werd das auch selber sehn.“
Und nach einer kleinen Pause kam der Wunsch: „Ich möchte mal in’n Apfel beißen.“
Meine Antwort war: „Du kannst ja noch nicht richtig beißen und schlucken.“
Aber das ließ er nicht gelten und sagte: „Das möchte ich selbst seh'n.“
Ich hatte mir Notizen zu seinem Wortschwall gemacht und las ihm nun das Notierte vor und er sagte: „Genau!“

So langsam verstehe ich das, was Gustav mir sagen will und was er denkt und tut.

Als seine „Astronautennahrung“ alle war und das kleine Gerät unaufhörlich piepste, versuchte Gustav, dieses abzuschalten. Aber mit seiner noch voll beweglichen linken Hand schaffte er das nicht; also tat ich es und Gustav bedankte sich sogar.
Deshalb hatte er sich wohl auch schon zweimal das ganze Gestell mit der Trinkflasche zu sich ins Bett geholt und das Pflegepersonal rätselte, warum er das wohl gemacht hatte.
Des Rätsels Lösung war ganz einfach:
Er wollte einfach seine Ruhe haben.

Jetzt müssen wir nur noch herausbekommen, warum er sich die Windel immer wieder vom Leib pult und das Pflegepersonal mit seiner nackten Herrlichkeit zu erschrecken versucht . . .

Und noch eine kleine Besonderheit:

Wenn man die Tür zu Gustavs Zimmer zu macht, dann protestiert er und macht auch mit seinem Gebrabbel deutlich, daß er diesen Kontakt zur ‚Außenwelt’ will und auch braucht. Da draußen auf dem Flur läuft ja immer mal ein anderes menschliches Wesen herum und das ist auch eine gewisse Abwechslung in seinem täglichen Einerlei.
So ein menschliches Wesen ist doch immer noch etwas Anderes als so ein Fernseher, der da bei ihm in der Zimmerecke seine Bilder produziert.

Dienstag, 28. September 2010

Gustavs Bruder Manuel berichtet

Geschrieben von: Walter

28. September 2010
Manuel, der Bruder von Gustav war brummelig und rückte zunächst nicht mit der Sprache heraus.
Es sei ein recht hektischer Tag gewesen und er sei einfach fertig.
Heute bräuchte er 3 Ouzo und ich sollte ihn dann mit seinem eigenen Wagen nach Hause bringen.
Wie ich dann wieder nach Hause kommen sollte, das war ihm in dem Moment anscheinend egal.

Heute sei es mal wieder recht hektisch gewesen.
Erst hätte er seine Frau und deren Freundin nach Harburg zum Frühstücks-Klönschnack bringen müssen um danach noch ein Paket für Gustavs Frau von der Post am Bahnhof abholen zu dürfen.
Dann sei er zu Gustavs Hausarzt gefahren, um dem die Krankenversicherungskarte von Gustav vorzulegen und hätte bei der Gelegenheit auch noch ein recht wohlwollendes aber nichtssagendes Gespräch mit dem Herrn Doktor gehabt.
Der Herr Doktor würde so alle 14 Tage einmal im Pflegeheim nach Gustav sehen . . .

- Unter REHA stellt sich Manuel etwas Anderes vor. -

Morgen will Manuel bei dem Betreuer anrufen und "Druck machen".
Die Stichworte seien: Logopädie, Bewegungstherapie und auch ein Neurologe muß ran, um zu prüfen, was bei Gustav noch vorhanden ist, wo man dran arbeiten sollte und wo man Abstriche machen muß.

Später hätte er noch eine Tüte mit den T-Shirts für Gustav von dessen Frau abholen müssen, weil die sich nicht aus dem Haus traue und erst dann hätte er es geschafft, auch einmal nach seinem Bruder Gustav zu sehen.
Gustav sei ein wenig schläfrig, mürrisch gewesen und er habe fast kein Wort von dem verstanden, was Gustav so zu sagen versuchte. Er meinte, daß seinem Bruder möglicherweise auch das dunkle Regenwetter auf den Geist geht.

Oh, bevor ich das vergesse . . .
Ich halte hier im Tagebuch nicht jeden Besuch bei Gustav (oder mit seinem Bruder und Freunden) fest, sondern nur jene, von denen ich auch etwas Neues zu berichten habe.
Es gab viele Tage, an denen kein Fortschritt zu sehen war . . . und es wird noch viele solcher Tage geben.

Wir alle werden halt noch viel Geduld haben müssen.

Freitag, 24. September 2010

Ein Gespräch mit seinem Bruder Manuel

Geschrieben von: Walter

24. September 2010
Gustav weiß nichts von diesem Blog . . . und sein Bruder Manuel ahnt wohl nur, daß ich da irgendwo irgendetwas schreibe, weil ich mir bei den Gesprächen mit ihm immer wieder Notizen mache.
Da ist ein Grieche in der Nähe seiner Wohnung.
Es ist die Stammkneipe von Gustav gewesen.
Bei einem Gläschen OUZO schüttet Manuel mir dann sein Herz aus.

Heute berichtete er,

daß er am Vormittag bei Gustavs Frau in der Wohnung ein Treffen mit dem Betreuer von Gustav gehabt habe.
Das Gespräch sei längst überfällig gewesen.
Es wäre zufriedenstellend verlaufen und es konnten etliche irritierende Punkte geklärt werden.
Ich versprach Manuel auch, daß ich Gustav noch am frühen Abend besuchen würde.

Gustav hatte mal wieder seine drolligen 5 Minuten.

Er schaute ein wenig grimmig drein.
Als ich so gegen 19 Uhr in sein Zimmer kam, da fielen mir gleich die vielen weißen Flocken am Fußboden auf.
– Aha, er hatte da wohl mal wieder seine Windel auseinander genommen . . .

Der Pfleger bestätigte, daß Gustav, kaum eine Stunde nachdem man ihn neu gewickelt hatte, sich der Windel wieder entledigt hatte. Und neulich hätte er sogar seinen „Futterbeutel“ samt Ständer zu sich ins Bett gezogen.

Gustav hat auch ein neues Bett bekommen.
Es ist wesentlich niedriger, damit er sich nicht so sehr verletzen kann, wenn er mal wieder herausfallen sollte . . .

Daß Gustav inzwischen geistig recht gut drauf ist, kann man auch daran sehen, daß er darüber meckerte, daß dieses neue Bett etwas schmaler ist als das vorherige. Mir war das zunächst nicht aufgefallen, aber Gustav machte seinen Unmut darüber mit Gebrabbel und Gesten unmissverständlich klar.
Er wollte auch kein Fernsehen schauen und schien recht müde zu sein.
Dann zeigte er auf zwei verschiedene Stellen an der Decke und brabbelte etwas, aber ich verstand ihn nicht.
Irgendwann begriff ich und fragte ihn, ob ich die Lampe über dem Bett ausmachen sollte und er sagte „Ja“.

Irgendwann fragte er mich – mit einem kleinen Anflug von Lächeln im Gesicht –
„Wer bist Du?“
Ich antwortete: „Ich bin dein Bruder - Manuel“
Und Gustav erwiderte recht deutlich und mit einem fast listigen Blick: „Du bist der denkt.“
Da fehlte zwar ein zweites „der“ im Satz, aber der Knabe weiß tatsächlich, wer ich bin.
Irgendwann meinte er dann sinngemäß, daß ich auch die zweite Lampe in der Nähe der Tür ausmachen sollte, wenn ich gehe.
Das war seine Art zu sagen „Ich bin jetzt müde, du kannst wieder gehen und mach bitte das Licht ganz aus.“

Auf dem Flur sprach ich dann noch einmal mit 'seinem' Pfleger und der meinte, daß die MRSA-Keime sich nicht im Genitalbereich sondern in der Umgebung des Eintrittes des Schlauches für die Magensonde (in der Nähe des Bauchnabels) befänden . . . aber vielleicht sind sie ja auch gar nicht mehr da, man müsse mal einen neuen Abstrich machen.
- Ich bin gespannt, wann das wohl geschehen wird und auf wessen Initiative hin.

Mittwoch, 22. September 2010

Ein betreuender Hausarzt wurde gefunden

Geschrieben von: Walter

22. September 2010
Mein Besuch bei Gustav brachte heute wieder zwei Lichtblicke.
  1. Ein Harburger Arzt für Allgemeinmedizin (Hausarzt) betreut jetzt Gustav im Pflegeheim.
  2. Die Mund- und Nasenschutzmaske brauchen wir nicht mehr anlegen.
Eine nette Pflegeschwester sprach mich vom Flur aus an, als ich bei Gustav im Zimmer war. Sie meinte, daß die MRSA-Bakterien ja nur Genitalbereich wären und daß wir Besucher nur noch die Gummihandschuhe anzuziehen bräuchten.
Dazu muß ich allerdings anmerken, daß Gustav so ab und zu seine Windel in Stücke pult . . . in einem solchen Fall würde ich seine Hände eh nur noch mit Vorsicht berühren.

Die verzweifelte Geste eines Eingesperrten

Gustav war wieder etwas sehr unruhig und war auch nicht sehr gesprächig.
Er war mit seinem Fuß wieder am Tüteln mit der Bettdecke und packte sein linkes gesundes Bein auch immer wieder über das hochgesetzte Bettgitter. Er versuchte sich auch immer wieder zu der Bettkante an der Fensterseite rüber zu ziehen.
Er kam mir vor, wie ein Eisbär im Zoo, der am Ende seines kurzen Weges kurz seine Vorderpfote hebt, so als wolle er fühlen, was da im Raum vor ihm ist, sich dann umdreht und am anderen Ende das Selbe macht.

Ja, Gustav ist in seinem Bett eingesperrt und auch sein Geist arbeitet recht unruhig und versucht zu verstehen, was da mit ihm geschehen ist.

Sonntag, 19. September 2010

Von Unruhe getrieben. Warum?

Geschrieben von: Walter

19. September
Heute war ich wieder am späten Nachmittag bei Gustav.
Er war wieder einmal recht unruhig und fuhrwerkte mit seinem linken Bein herum und schob seine Bettdecke von einer Seite auf die andere.
Als er dann schließlich auf die Idee kam und sein Bein anwinkelte und sich dann auch noch die Plastik-Leitung (von der Astronauten-Nahrungsflasche zu seinem Bauch) über das Knie legte und Anstalten machte, sein Knie ein wenig zu strecken, da wurde mir doch ein wenig bange.
Der Knabe war drauf und dran, sich seine Magensonde aus dem Bauch zu reißen!

Ich versuchte, ihn davon abzubringen - zuerst hab ich es auf die sanfte Tour versucht und dann etwas energischer, aber er ließ nicht von seinem Vorhaben ab.
Ich wußte mir nicht mehr zu helfen und hab ihn angemotzt und wütend den Raum verlassen . . . soo, daß er das auch deutlich merken musste.
Aber das hat ihn auch nicht gerührt.
Deshalb hab ich ihm dann den Pfleger geschickt . . .

Was mag der Grund für diese zeitweilige Unruhe sein?
Fühlt er sich eingesperrt?

Donnerstag, 16. September 2010

Die Verlegung von Fuhlsbuettel nach Harburg

Geschrieben von: Walter

16. September, Donnerstag
Die Verlegung Von Alsterdorf nach Harburg erfolgte aufgrund einer Anregung der Familie von Gustav. Allerdings sollte der Termin so zum Ende September liegen.
Für seine Familie und auch für mich kam dieser Umzugstermin doch etwas plötzlich und recht turbulent.
Wenn ich der Schilderung eines seiner Brüder glauben darf, dann hat dieser Folgendes erlebt:
So gegen 15:15 Uhr rief sein Bruder Manuel beim Pflegeheim an und fragte nach, ob Gustav schon dort sei und erhielt die Bestätigung:
„Ja, ihr Bruder ist da und er liegt jetzt in Zimmer YY.“
Er fragte nach, wann er zu Besuch kommen könnte.
Die Antwort war: „Jederzeit".
Er kündigte seinen umgehenden Besuch an und fuhr mit dem Auto los.
So gegen 16:oo Uhr erschien er auf der Station im Pflegeheim und fand seinen Bruder dort nicht vor.
Die verantwortliche Pflegekraft gab dem Bruder die Auskunft, daß Gustav aus dem Bett gefallen wäre und leichte Kopfverletzungen erlitten hätte.
Zwecks Röntgenuntersuchung seines Kopfes wäre er in das Krankenhaus in Harburg gebracht worden.
Sie wären auch nicht darüber informiert worden, daß ihr neuer Gast zeitweilig recht unruhig sei und daß sowohl im Krankenhaus als auch im Pflegeheim in Fuhlsbüttel entsprechende "freiheitseinschränkende" Maßnahmen ergriffen worden wären.
Sie wären also auch gar nicht befugt gewesen, beide Bettkanten auf die volle Höhe hochzusetzen . . . solche Maßnahmen hätte sein Betreuer beim Gericht beantragen müssen.

Da riskiert man es dann halt und läßt den möglicherweise hilflosen Patienten lieber aus dem Bett fallen . . . oder liege ich da falsch?
.
Bezeichnend ist dabei, daß die Begleitpapiere beim Krankentransport von Gustav auf den Namen einer völlig fremden Frau lauteten und daß diese Papiere auch nicht aus dem Pflegeheim in Fuhlsbüttel stammten, sondern aus einem Krankenhaus im Osten Hamburgs.
Mit anderen Worten:
Das Personal im empfangenden Pflegeheim hatte vermutlich keine Ahnung, wen sie da so genau vor sich hatten, als Gustav ankam. Aber daß Gustav keine Frau war, das war ja an seinem 'Stutzer' (auch Schneuzer oder Schnurrbart genannt) unschwer zu erkennen - oder etwa nicht?

Aber das war noch nicht Alles.
Nach zwei Tagen fand man wohl in seinem Koffer noch weitere Papiere und man fragte seinen Bruder, warum der Rollstuhl denn noch nicht mitgekommen sei?
Nun, auch dieser Zettel, den der Bruder dann zu sehen bekam, lautete auf den Namen der besagten fremden Frau und nicht auf Gustav.
Wie gesagt, das war 2 Tage nach der Einlieferung von Gustav . . .
Jetzt hoffen wir nur alle, daß er auch die Medikamente der unbekannten Frau verträgt, sollte man ihm irrtümlich auch noch diese verabreichen.

Halleluja!

Donnerstag, 26. August 2010

Verlegung aus der Krankenhaus-Reha im Norden in ein Pflegeheim südlich der Elbe

Geschrieben von: Walter

26. August, Donnerstag
Nach fast zwei Monaten in einer REHA-Abteilung des Krankenhauses erfolgte die Verlegung in ein Pflegeheim in der Nähe vom Flughafen.
Wer diese Verlegung veranlaßt hatte, das habe ich nicht herausfinden können.
Gustav blühte dort schon nach kurzer Zeit regelrecht auf.
Ich verstand von seinem Gebrabbel zwar nur ein Zehntel, aber das was ich verstand war logisch und der Situation angepasst.
Der Ortswechsel hatte wohl seinen Lebensgeist geweckt.

Die Betreuung war sehr gut, aber es waren kaum REHA-Maßnahmen sichtbar.
Irgend Jemand vom Pflegepersonal soll dort einmal gesagt haben, daß Gustav dort in der falschen Abteilung sei.

Er lag in der Abteilung für "Wachkoma"-Patienten.

Irgendwann stellte ihm jemand aus seiner Familie einen niegelnagelneuen Fernseher in sein Zimmer.
Das Pflegepersonal hatte dieses angeregt, da Gustav "der lebendigste Patient auf ihrer Station" wäre und sich ein wenig langweile.

Dienstag, 6. Juli 2010

Ein Betreuer wurde amtlicherseits bestellt

Geschrieben von: Walter

6. Juli, Dienstag
Bereits am 28.5.2010 war ein Rechtsanwalt als Betreuer *) für Gustav von einem Amtsgericht in Hamburg bestellt worden . . . Nur kannte ihn noch keiner . . . Ein ganzer Monat ohne Kontakt zu der Frau von Gustav seitens des Betreuers . . .

Ein nahestehender Verwandter von Gustav sagte mir sinngemäß:
Ich hatte zufällig im Krankenhaus von der Bestellung eines Betreuers erfahren und diesen angerufen und zu uns eingeladen, weil er sich bisher noch in keiner Weise gemeldet hatte; weder bei der Frau von Gustav, noch bei seinen anderen Verwandten.
Ich wusste nur durch Zufall davon, daß da überhaupt schon ein Betreuer für Gustav bestellt worden war.
Gustav selbst kann ja im Moment nichts mehr entscheiden und der Rest seines Familienclans traut sich da nicht so recht ran, so eine Betreuung zu übernehmen.
Mein erster Eindruck von dem Betreuer war zwiespältig, aber ich hielt ihn für kompetent. Lediglich die Ausrede, er hätte die Frau von Gustav nicht erreichen können, fand ich etwas merkwürdig.
Aha, so etwas nennt sich also nun "Betreuung".
Es ist eine mildere Form der früher üblichen Entmündigung und der Einsetzung eines Vormundes.

*) Ich möchte weder den männlichen noch den weiblichen Teil der Zunft der Rechtsanwälte diskriminieren, aber ich finde keine genderneutrale Bezeichnung für den Begriff 'Betreuer'.
Ich wähle deshalb halt die männliche Form als Standard, egal, ob es sich in der Realität nun bei dem "Betreuer" (oder dem Rechtsanwalt) um einen Mann oder eine Frau handelt.

Freitag, 18. Juni 2010

Ein Monat ist vergangen. Verlegung zur REHA

Geschrieben von: Walter

18. Juni, Freitag
Ein ganzer Monat ist vergangen und Gustav zeigte immer noch recht wenig Reaktionen auf meine Besuche. Soweit ich mich erinnere, ging es seinen anderen Besuchern ebenso.
Man stand recht hilflos vor dem verkabelten Häufchen Unglück und fühlte sich selbst auch recht hilflos.
Da Gustavs Zustand relativ stabil war, wurde er in ein anderes Krankenhaus in die dortige Früh-Rehabilitations-Station verlegt.
Hier hatte ich dann das Gefühl, daß Gustav halt nur „aufbewahrt“ wurde.
Gut, es gab ein wenig logopädisches Training, aber mit einer Bewegungstherapie schien es nicht weit her zu sein.

Montag, 17. Mai 2010

Mein erster Besuch bei Gustav

Geschrieben von: Walter

17. Mai, Montag
Bei meinem ersten Besuch im Krankenhaus war ich sehr erschrocken.
Gustav war rundum verkabelt und nicht ansprechbar.
Sein Bruder hatte mich zwar vorgewarnt, aber der Anblick haute mich dennoch um.
Bei einem der nächsten Besuche lag da ein Röntgenbild auf dem Tischchen und auf meine Nachfrage hin wurde mir der Fleck in der linken Gehirnregion erklärt.
- Man konnte deutlich sehen, daß der linke, hintere Bereich seines Gehirns regelrecht ‚abgesoffen’ war.
Außerdem litt er an einer MRSA-Infektion. Ob er sich diese bakterielle Infektion im Krankenhaus zugezogen hatte oder schon damit eingeliefert wurde, ließ sich im Nachherein nicht mehr feststellen.
Aufgrund der Infektion musste ich mich bei meinen späteren Besuchen regelrecht verkleiden – mit Einmal-Kittel, Einmal-Kopfbedeckung und mit Gummihandschuhen. Aber heute wußte man noch nichts von einer MRSA-Infektion.
Die Pflege in diesem Krankenhaus war, soweit ich das als Laie beurteilen kann, vorbildlich und fürsorglich.

Samstag, 15. Mai 2010

Notoperation am Kopf

Geschrieben von: Walter

15. Mai, Samstag
Am späten Samstag-Nachmittag wurde Gustav in ein Krankenhaus nördlich der Elbe verlegt, da dort eine spezielle Abteilung für Hirnoperationen sei.
Dort wurde der Druck im Gehirn von Gustav durch eine Bohrung (durch die linke, hintere Schädeldecke) abgesenkt und eine geplatzte Ader "geflickt" (?).
Aber die genauen Daten haben wir Besucher nie so recht erfahren.

Donnerstag, 13. Mai 2010

Schlaganfall - Wir erhalten die erste Nachricht

Geschrieben von: Walter

13. Mai 2010, Donnerstag
Am Abend erhielt ich von seinem Bruder Manuel die Nachricht, daß Gustav mit einem Schlaganfall in einem Krankenhaus südlich der Elbe liegt.
Es war Donnerstag, der 13. Mai 2010 und „Vatertag“ (Himmelfahrt).
Mein erster Gedanke war: Vatertag? Schnaps?
Aber nee, das war 'ne Fehlanzeige.
Der Knabe war stocknüchtern.
Das sagte jedenfalls zwei Tage später ein behandelnder Arzt (so durch die Blume) und der mußte das ja wissen . . .
Ich schlief unruhig in dieser Nacht.

Die Protagonisten in diesem
Schlaganfall-Tagebuch


Eine Real-Satire
Geschrieben von: Walter

In diesem Tagebuch spielen folgende Personen eine Rolle:

Gustav - Er wurde von einem Schlaganfall nieder gestreckt.
. . . . . . . . . Nein, er schreibt nicht selbst . . .

Manuel - Einer seiner Brüder. Er hat noch 2 mehr von dieser Sorte.

Walter - Das bin ich, ein guter Freund aus alten Tagen.


Siehe auch:
Ich hatte einen Schlaganfall . . . vor fast 30 Monaten
.