Montag, 11. Oktober 2010

Es geht vorwärts. "Die Hoffnung stirbt zuletzt!"

Geschrieben von: Walter

Gestern habe ich Gustav wieder besucht.
(Nur sein Bruder Manuel besucht ihn noch öfter als ich.)
Wie üblich begann unsere Unterhaltung zunächst recht zäh.
Nach einer Weile fragte er mich ganz listig:
"Wie alt bin ich?"
Und, bevor ich zu Wort kommen konnte, beantwortete er sich seine Frage selbst:
"Ich bin 61 Jahre!"
. . .
Irgendwann sagte ich ihm, daß es jetzt bald Zeit wäre, ihn mal probeweise in einen Rollstuhl zu verfrachten, aber er meinte nur:
"Jetzt noch nicht."
Nach einer Weile setzte er hinzu:
"Das geht noch nicht."

Sein nächster Satz war:
"So, jetzt werd ich mal was machen . . . . . . aber nee, das geht doch nicht."
Danach stellte er mir eine Rechenaufgabe:
"Wie viel ist 7 mal 7?"
Meine Antwort mit "49" wollte er nicht akzeptieren, er meinte das wären 77.
Deshalb fragte ich ihn:
"Wie viel ist 3 x 3?"
Seine Antwort kam prompt: "Neun!"

Als Nächstes spielten wir 'Namen'.
Meine Frage nach dem Namen seiner Frau beantwortete er etwas schlitzohrig und mit einem leichten Grinsen mit: "Genau so wie ich."
- Ich hatte vergessen nach dem Vornamen zu fragen . . . und wo er Recht hat, da hat er halt Recht.

Danach meckerte er mit mir.
"Du redest ein Scheiß . . . . . . Das ist Scheiße für mich!"
Und nach einer kleinen Pause:
"Aber manchmal bin ich auch froh."
~ ~ ~
Ja, so ein Schlaganfall kann einen ganz schön aus der Bahn werfen!
Aber es geht mit Gustav auch gaaanz laaangsam, Schritt für Schritt vorwärts.
Schon beim Betreten seines Zimmers fiel mir auf, daß da keine Flocken von seiner Pampers auf dem Fußboden herum lagen.
Gustav war in eine Art von Overall eingepackt; so ein Zwischending von 'Strampler' und Pullover mit langer Unterhose.
Die hauptverantwortliche Pflegekraft bat mich, noch 4 solcher Overalls zu besorgen, weil diese ideal für Gustav wären. Dann könne er auch nicht mehr so sehr am Schlauch seiner Magensonde an deren Eintritt in die Bauchdecke herumfummeln.
(Gustav hatte ja schon mehrfach versucht, sich "das Ding" aus dem Körper heraus zu ziehen.)
Erst am nächsten Tag habe ich herausbekommen, daß das eine Spezial-Unterwäsche für inkontinente und besonders unruhige Patienten ist.
Vier lange Reißverschlüsse erleichtern auch das Auswechseln von Windeln und die nachfolgende Pflege der Haut.
Aber der edle Spender dieses Overalls war bisher nicht festzustellen.
Soweit ich gehört habe, sagte sein Betreuer zu, daß er 4 weitere Anzüge dieser Art nachbestellen werde.

Ja, es geht immer einen, wenn auch nur klitzekleinen, Schritt vorwärts!

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Walter