Montag, 1. November 2010

Es geht vorwärts aber . . .

Geschrieben von: Walter

Gestern bin ich gleich zweimal bei Gustav gewesen.

Warum?
Weil es wieder einen Riesenschritt vorwärts ging
und weil ich neugierig war, wie Gustav diesen Tag überstanden hatte.

Aufgrund der Zeitumstellung war ich schon früher auf und fuhr gleich nach dem Frühstück zum Pflegeheim.
Gustav lag mit Trainingshose und Oberhemd bekleidet auf seinem Bett und begrüßte mich recht munter.

Und dann kam das Besondere:
Eine resolute Pflegerin hob den Gustav, mit Unterstützung durch eine zweite Kraft, in den Rollstuhl und ich durfte ihn schieben.
Ich solle ruhig mit dem Fahrstuhl runter zum Restaurant fahren und Gustav alles zeigen.

Also machte ich mich auf die Tour durchs Haus.
Im obersten Stockwerk zeigte ich ihm jeden Gang und auch an den jeweiligen Endpunkten die Aussicht nach draußen.
Im Erdgeschoß zeigte ich ihm vom Restaurant aus die davor liegende Sonnen-Terasse und kutschierte ihn auch hier durch sämtliche Gänge und in den Windfang vom Haupteingang.
Nach fast einer dreiviertel Stunde waren wir wieder oben in seinem Bereich.
Gustav war sichtlich beeindruckt aber auch von der Tour geschafft und wollte wieder in sein Bett gebracht werden, weil ihm auch der Bauch etwas schmerzte.
Aber die Pflegerin überredete ihn, doch noch ein wenig im Rollstuhl zu bleiben, damit sie ihn später noch mit einem Joghurt füttern könnte.
Sie kippte das Oberteil des Rollstuhles in eine Art Liegestellung und wollte ihn in den Gemeinschaftsraum schieben, aber Gustav wollte erstmal seine Ruhe haben und beharrte darauf, in seinem Zimmer bleiben zu dürfen.

Das Thema "Joghurt-Fütterung" ließ mir keine Ruhe und so zog es mich am späten Nachmittag noch einmal zu Gustav ins Pflegeheim.
Ich hatte schon befürchtet, daß man ihn den ganzen Nachmittag im Rollstuhl gelassen hätte, aber nein, er lag ganz friedlich in seinem Bett und schaute sich einen Film auf seinem Ferneher an.
Ja, und dann kam wieder die Pflegerin mit einem neuen Becher Joghurt und fragte ihn, ob er etwas davon essen möchte.
Und ob er das wollte!
Einen halben Becher schaffte er und verschluckte sich auch nur selten, obwohl er recht flach im Bett lag.
Nach einer ganzen Weile schaute Gustav zum Joghurtbecher und bat mich, ihm noch etwas davon zu geben.
Ich achtete darauf, daß sein Kopf beim Füttern schön weit nach rechts gedreht war, damit ihm der Joghurt nicht von selbst nach hinten in den Hals lief . . . aber ob das auch die Pflegekräfte beachten? *)
Ich hätte fast heulen können, als ich ihn da so fütterte und er sich auch nur selten ein wenig verschluckte.

So, und nun erzähle mir noch einmal jemand, daß Gustav dauerhafte Schluckstörungen habe, die man nicht mit Hilfe eines guten Logopäden in den Griff bekommen könnte!

Die zwei handfeste Altenpflegerinnen retteten so doch noch ein wenig das Ansehen des restlichen Pflegepersonals, welches eher den "Dienst nach Vorschrift" absolviert.
Aber auch diese anderen Pflegekräfte muß ich ein wenig in Schutz nehmen:
Wenn ich mir anschaue, wie viele ältere Herrschaften hier in den vielen Zimmern "wohnen", dann muß ich mich wundern, daß die Pflegekräfte ihre Arbeit überhaupt schaffen.
- Da bleibt einfach kaum noch Zeit für die persönliche Betreuung eines einzelnen Pflegefalles.
- Also ist die Ernährung durch die Magensonde die "rationellere" Lösung . . .
- Und auch der Katheter in der Blase paßt in dieses Bild.

Mein bisheriger Eindruck wird immer wieder von den realen Vorkommnissen bestätigt:
In einem Pflegeheim ist eine echte Pflege oder REHA (!) zeitlich kaum möglich,
Pflegeheime erscheinen mir eher wie Aufbewahrungsstätten für alte oder behinderte Menschen
Aber hier bei Gustav, da sollte ja nicht nur die Pflege im Vordergrund stehen, sondern die REHA, die Rehabilitation nach einem schweren Schlaganfall!

~ ~ ~

*) Und noch eine "Kleinigkeit", die es in sich hat:
Schluckstörungen und der richtige Umgang damit
.

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Walter