Freitag, 17. Dezember 2010

Weihnachtsfeier und Torte:
Wie geht das bei einer Ernährung über eine Magensonde?

Geschrieben aus der Sicht von: Gustav

Heute hatten wir hier, in unserem "Heim der abgegebenen Alten" unsere Weihnachtsfeier.
Am Heiligen Abend, da kann ja wieder keiner kommen, also feiern wir schon heute.
Wir wurden auf unseren Rollstühlen in den Aufenthaltsraum gefahren und warteten der Dinge, die da kommen sollten.

Mein Freund Walter war da.
Und den kann ich austricksen.
So hab ich zugeschlagen, ich pfeife auf meine Magensonde.
Ich will mal wieder schmecken, wie es ist, etwas richtiges zu essen!

Meine Ausbeute waren:

1 Stück Schwarzwälder-Kirschtorte
1 Stück Schoko-Sahnetorte
4 Kekse
1 Mandarine
und eine ganze Tasse Kaffe!

Ich hab gesehen, wie mein Freund Walter litt.
Aber das war mir egal.
Walter denkt an die Vorschriften.
Ich denke daran, daß die mich hier über eine Magensonde füttern und damit Zeit sparen.
Dabei kann ich doch selbst schlucken!
Da ist nix mit Dysphagie wenn mich da nicht mal wieder einer im Liegen füttert!
Warum sieht das denn keiner?!
Daß ich ein wenig kleckerte war mir peinlich, aber was solls -

Mir geht's prächtig!
Aber Walter wird eine unruhige Nacht haben und morgen meinen Bruder fragen, ob mir diese 'Freßorgie' bekommen ist. :-)
Hoffentlich setzt er danach auch mein Doktorchen und die Pflegerinnen hier auf den Pott, damit ich auch etwas von dem Weihnachtsbraten ab bekomme!

Nachtrag vom 18.12.2010
Das Festmahl von Gestern ist mir gut bekommen.
Mir ist nicht schlecht geworden.
Und Magendrücken hatte ich auch keines!

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Ich hatte einen Schlaganfall . . . vor 7 Monaten

(Mein 'Nicht-Impressum')


Geschrieben aus der Sicht von: Gustav

Für dieses Tagebuch bin ich verantwortlich.
Eure Kommentare sind willkommen, auch, wenn ihr etwas zu beanstanden habt.
Nein, eine Telefonnummer oder eine eMail-Adresse kann ich euch leider nicht geben. Schreibt einfach einen Kommentar unter diesem Eintrag und ich werde eventuelle Ungereimtheiten unverzüglich klären.
Zum Schutze der hier im Blog genannten Personen habe ich deren Namen und auch den Ort der Handlung entsprechend verschleiert.
Die Gründe dafür sind ganz einfach:
Fast alle Pflegekräfte tun ihr Bestes; ich bin bemüht, ihnen mit meinen Berichten nicht weh zu tun.

Es ist das System, das marode ist und den Pflegekräften keine Zeit gibt, um die Dienste zu erbringen, die uns Alten ein menschenwürdiges Altwerden ermöglichen.

Am 7. Oktober 2010 begann ich dieses Tagebuch.
Es war der 13. Mai 2010, als mich der Schlaganfall außer Gefecht setzte.
Es war eine schwere Hirnblutung im linken-hinteren Bereich meines Kopfes.
Meine rechte Körperhälfte ist gelähmt, ich habe Schluckstörungen und erhebliche logische Sprachstörungen.
Oh, ich kann schon recht gut sprechen, aber ich weiß nicht, wie ich zum Beispiel das Wort "Gardine" in meinem Gedächtnis finden kann.

Noch kann ich mich auch nicht allein aus dem Bett in den Rollstuhl begeben; dazu brauche ich immer die Hilfe eines recht kräftigen Pflegers, der mich aus dem Bett in den Rollstuhl hebt und später wieder zurück ins Bett bringt.
Und genau dieses Problem der mangelnden Bewegungsfähigkeit ist zur Zeit eines der größten Probleme für mich.
Denn im Bett halb liegend verschlucke ich mich immer wieder, wenn ich einmal etwas essen oder trinken möchte. Deshalb hab ich ja auch immer noch die Magensonde und bekomme zusätzlich meine "Astronauten-Nahrung" aus der Flasche.
Auch beim Sprechen rutscht mir die Zunge durch die halb liegende Position etwas nach hinten in den Rachen und ich spreche dadurch erheblich undeutlicher, als wenn ich im Rollstuhl sitze.

Nach und nach füge ich aus meinen Erinnerungen und aus meinen handschriftlichen Aufzeichnungen das, was ich für lesenswert halte, in diesen Blog ein. Die bisherigen Geschehnisse füge ich unter dem Datum ein, an dem sie geschehen sind. Dadurch erscheinen immer wieder neue Posts in zurückliegenden Bereichen.

So, ich habe es geschafft, ich bin mit meinen Texten im Heute angekommen.
Heute, das ist Sonntag, der 17. Oktober 2010
Aber so ganz fertig bin ich mit meinen bisherigen Texten noch nicht . . .
Mir fällt immer noch das eine oder andere Detail aus der Vergangenheit ein.

Nein, ich schreibe diesen Text nicht selbst.
Ich diktiere ihn nicht einmal.
Es ist ein guter Freund, der für mich schreibt.
Warum?
Einfach weil er mein Freund ist und sich des Dilemmas angenommen hat, in dem nicht nur ich mich befinde. Denn nach gut 7 Monaten kann ich noch immer nicht richtig sprechen und schon gar nicht so ein Ding wie meinen Laptop bedienen.
Meine Familie, meine Freunde und Bekannten, alle die mich kennen sind auch in irgendeiner Form von meiner Krankheit betroffen.
Und sie warten alle auf mein tägliches Bulletin . . .

Mein Freund schreibt zeitweilig auch in der "Ich-Form" von mir und für mich.
Ihr könnt es am "Label" und an dem Text " erkennen, aus welcher Sicht da geschrieben wurde.
Den Grund dafür darzulegen ist ein wenig kompliziert.
Vielleicht glaubt mein Freund, daß er sich so besser in mich hineinversetzen kann und mich somit besser versteht?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß Vieles nicht.
Und es sind viele Dinge um mich herum, die ich auch jetzt, nach mehr als 7 Monaten, immer noch nicht verstehe.

Nein, meinen bürgerlichen Namen nenne ich nicht.
Nenne mich einfach Gustav.
Auch der Name meines Freundes, der für mich unter meinem Namen schreibt, der ist unwichtig.
Wer es mag der kann ihn gerne Walter nennen.
Es gibt viele Gründe, die mich und meinen Freund in der Anonymität verweilen lassen.
Ein Grund ist der, daß ich mich sonst vielleicht der Blumen nicht erwehren könnte, die ihr mir vorbei bringen würdet.
Auch Pralinen hätte ich noch nicht so gerne in meiner Nähe . . .
. . . ich werde ja immer noch durch eine Magensonde ernährt.

Oh, bevor ich es vergesse:
Auch auf den realen Ort der Handlungen und auf die korrekten Namen der beteiligten Istitutionen und deren Mitarbeiter könnt ihr euch in meinen Texten nicht verlassen.
- Siehe auch im ersten Absatz dieses Beitrags.
Der Grund?
Nun, meine Aussagen sind Momentaufnahmen, die nur mich betreffen.
Und ich möchte keinem schaden.
So ist es zum Beispiel keinesfalls repräsentativ für ein Pflegeheim, wenn ich hier aus deren Bett gefallen bin.
Es betraf nur mich, und meine Anmerkungen dazu stellen keinesfalls ein Werturteil über dieses Pflegeheim dar.
Aber der Fakt, daß ich bei der ersten Aufnahme in diesem Pflegeheim aus dem Bett gefallen bin und dann mit dem Krankenwagen zur Notaufnahme in das nächste Krankenhaus gefahren wurde, der ist einfach nicht zu leugnen.
Es ist auch gut nachvollziehbar, daß dieser Unfall vermeidbar war und nie hätte passieren dürfen.
Aber die Folgen meines Schlaganfalles hat dieser nachträgliche Unfall weder verschlimmert noch verbessert - so scheint es jedenfalls.
Doch darüber später mehr . . .

So, ich bin jetzt müde . . . bis Morgen!