Montag, 29. November 2010

Aphasie kann durchaus auch einmal spassig sein.

Geschrieben von: Walter

Es ist schon eine Weile her, daß ich Gustav besucht habe.
In seinem Zimmer lag eine mir völlig fremde Person.
Von einer der Schwestern erfuhr ich dann, daß Gustav in eine andere Abteilung verlegt wurde.
Komisch, Manuel hatte mir nichts davon erzählt . . .

Als ich Gustav fand, bot sich mir ein erbärmlicher Anblick.
Er lag splitterfasernackt in seinem Bett und hatte sich vollgemacht.
Seine Windel lag in Stücke gepult auf dem Fußboden neben dem Bett und sein Bettzeug lag ebenfalls auf dem Fußboden am Bettende.
Mir fiel der Papagei meines Onkels ein.
Der hatte sich vor langer Zeit einmal fast sämtliche Federn ausgerupft und saß da nackt auf seiner Stange im großen Käfig.
Später erfuhr ich dann, daß vereinsamte Papageien oft dieses Verhalten zeigen.

Nachdem Gustav von zwei Pflegerinnen versorgt war und wieder adrett im Bett lag, fragte ich ihn, warum er sich denn die Windel vom Leib pule, aber seine Antworten waren nicht zu verstehen.
Später, als er sich wieder beruhigt hatte, fragte ich ihn: "Du Gustav, ist denn hier auch eine hübsche Krankenschwester?" Seine Antwort kam prompt und recht gut verständlich: "Die kannst Du nicht kriegen." Und nach einer kleinen Pause setzte er noch einen drauf: "Die hab ich schon alle."

Ja, die Wernicke-Aphasie an der Gustav seit seinem Schlaganfall leidet, die hat nicht nur negative Auswirkungen, die kann durchaus auch einmal spaßig sein . . .

Sonntag, 21. November 2010

MRSA: Da kommt kein Logopäde und kein Ergotherapeut

Geschrieben von: Walter

So, man hat mich wieder über die Grenze vom Wendland in den Westen gelassen.
Gustav habe ich noch nicht besuchen können, aber dafür habe ich dann gleich seinen Bruder Manuel angerufen.

Seine Worte mag ich hier nicht wieder geben, er war ganz schön am Fluchen!
Sein Bruder ist in dem Pflegeheim in eine andere Abteilung verlegt worden und dort scheint es nicht besser zu sein, als in der bisherigen Abteilung.

Zweimal habe er ihn hilflos im Rollstuhl angetroffen.
Beide Male hatte Gustav keine Möglichkeit, den Notrufknopf zu erreichen.
Es sah so aus, als wenn man Gustav zum abstellen in sein Zimmer geschoben und ihn dann vergessen hätte.

Auch die so wichtige Nasensalbe gegen die MRSA-Keime hätte man für 4 Tage "vergessen", die zweite Packung lag immer noch in der Orinalverpackung versiegelt auf dem Nachttisch, als er das letzte Mal da war.

Aber solange die Keime da wären komme kein Logopäde und kein Ergotherapeut zur Mobilsation eines solchen Patienten!

Ich hatte Mühe, den sonst so friedlichen Manuel zu beruhigen.
Und ich kann ihn voll verstehen.
Aber so sieht es halt in vielen Pflegeheimen aus, die ja fast alle unter chronischem Personalmangel leiden.

Dienstag, 9. November 2010

Eine kleine Pause . . .

Geschrieben von: Walter

Es gibt nichts Neues zu berichten.
Nicht, weil sich bei Gustav nichts getan hat, sondern weil ich noch hier in Dannenberg festhänge.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Morgen werde ich wohl mit Manuel telefonieren und erfahren, ob sich da bei Gustav etwas getan hat.

Montag, 1. November 2010

Es geht vorwärts aber . . .

Geschrieben von: Walter

Gestern bin ich gleich zweimal bei Gustav gewesen.

Warum?
Weil es wieder einen Riesenschritt vorwärts ging
und weil ich neugierig war, wie Gustav diesen Tag überstanden hatte.

Aufgrund der Zeitumstellung war ich schon früher auf und fuhr gleich nach dem Frühstück zum Pflegeheim.
Gustav lag mit Trainingshose und Oberhemd bekleidet auf seinem Bett und begrüßte mich recht munter.

Und dann kam das Besondere:
Eine resolute Pflegerin hob den Gustav, mit Unterstützung durch eine zweite Kraft, in den Rollstuhl und ich durfte ihn schieben.
Ich solle ruhig mit dem Fahrstuhl runter zum Restaurant fahren und Gustav alles zeigen.

Also machte ich mich auf die Tour durchs Haus.
Im obersten Stockwerk zeigte ich ihm jeden Gang und auch an den jeweiligen Endpunkten die Aussicht nach draußen.
Im Erdgeschoß zeigte ich ihm vom Restaurant aus die davor liegende Sonnen-Terasse und kutschierte ihn auch hier durch sämtliche Gänge und in den Windfang vom Haupteingang.
Nach fast einer dreiviertel Stunde waren wir wieder oben in seinem Bereich.
Gustav war sichtlich beeindruckt aber auch von der Tour geschafft und wollte wieder in sein Bett gebracht werden, weil ihm auch der Bauch etwas schmerzte.
Aber die Pflegerin überredete ihn, doch noch ein wenig im Rollstuhl zu bleiben, damit sie ihn später noch mit einem Joghurt füttern könnte.
Sie kippte das Oberteil des Rollstuhles in eine Art Liegestellung und wollte ihn in den Gemeinschaftsraum schieben, aber Gustav wollte erstmal seine Ruhe haben und beharrte darauf, in seinem Zimmer bleiben zu dürfen.

Das Thema "Joghurt-Fütterung" ließ mir keine Ruhe und so zog es mich am späten Nachmittag noch einmal zu Gustav ins Pflegeheim.
Ich hatte schon befürchtet, daß man ihn den ganzen Nachmittag im Rollstuhl gelassen hätte, aber nein, er lag ganz friedlich in seinem Bett und schaute sich einen Film auf seinem Ferneher an.
Ja, und dann kam wieder die Pflegerin mit einem neuen Becher Joghurt und fragte ihn, ob er etwas davon essen möchte.
Und ob er das wollte!
Einen halben Becher schaffte er und verschluckte sich auch nur selten, obwohl er recht flach im Bett lag.
Nach einer ganzen Weile schaute Gustav zum Joghurtbecher und bat mich, ihm noch etwas davon zu geben.
Ich achtete darauf, daß sein Kopf beim Füttern schön weit nach rechts gedreht war, damit ihm der Joghurt nicht von selbst nach hinten in den Hals lief . . . aber ob das auch die Pflegekräfte beachten? *)
Ich hätte fast heulen können, als ich ihn da so fütterte und er sich auch nur selten ein wenig verschluckte.

So, und nun erzähle mir noch einmal jemand, daß Gustav dauerhafte Schluckstörungen habe, die man nicht mit Hilfe eines guten Logopäden in den Griff bekommen könnte!

Die zwei handfeste Altenpflegerinnen retteten so doch noch ein wenig das Ansehen des restlichen Pflegepersonals, welches eher den "Dienst nach Vorschrift" absolviert.
Aber auch diese anderen Pflegekräfte muß ich ein wenig in Schutz nehmen:
Wenn ich mir anschaue, wie viele ältere Herrschaften hier in den vielen Zimmern "wohnen", dann muß ich mich wundern, daß die Pflegekräfte ihre Arbeit überhaupt schaffen.
- Da bleibt einfach kaum noch Zeit für die persönliche Betreuung eines einzelnen Pflegefalles.
- Also ist die Ernährung durch die Magensonde die "rationellere" Lösung . . .
- Und auch der Katheter in der Blase paßt in dieses Bild.

Mein bisheriger Eindruck wird immer wieder von den realen Vorkommnissen bestätigt:
In einem Pflegeheim ist eine echte Pflege oder REHA (!) zeitlich kaum möglich,
Pflegeheime erscheinen mir eher wie Aufbewahrungsstätten für alte oder behinderte Menschen
Aber hier bei Gustav, da sollte ja nicht nur die Pflege im Vordergrund stehen, sondern die REHA, die Rehabilitation nach einem schweren Schlaganfall!

~ ~ ~

*) Und noch eine "Kleinigkeit", die es in sich hat:
Schluckstörungen und der richtige Umgang damit
.

Mein erster Joghurt aber kein Logopäde . . . . nur Ausreden!

Geschrieben aus der Sicht von: Gustav

Eine der Pflegekräfte hat sich endlich erbarmt und mir etwas "Richtiges" zu essen gegeben. Diese Flüssignahrung durch den Schlauch, das ist ja nix.

Einen ganzen Joghurtbecher hat sie mir Löffelchen für Löffelchen mit viel Geduld in den Mund geschoben.

Warum ich trotzdem sauer bin?
Mein Bruder erzählt mir, daß ihm vor zwei Wochen noch gesagt wurde, ich hätte eine dauerhafte Schluckstörung. Das hätte der Logopäde festgestellt.
Und deshalb könne ich nichts zum Essen bekommen sondern müßte über die Magensonde mit dieser blöden 'Astronautennahrung' ernährt werden.

Hat da irgendeiner aus Bequemlichkeit gelogen?
So eine Fütterei dauert ja auch ganz schön lange.

Kommt deshalb der Logopäde nicht mehr wieder?
Oder hat der Angst vor den MRSA-Keimen?
Oder soll ich auch das Sprechen nicht allzuschnell lernen, weil ja ein stummer Mensch nicht nach den Pflegekräften rufen kann?

Warum hilft mir denn keiner?

Doch, da sind drei, die mir helfen.
Meine beiden Brüder Manuel und Willi und auch mein Freund Walter.
Und jetzt diese Pflegerin, die mich füttert.
Und noch eine, die mich in den Rollstuhl setzt.
Haben die jetzt endlich gemerkt, daß da doch noch Leben in mir ist und daß es sich lohnt, mich wieder fit fürs Leben zu machen?